Dieser Spruch meiner Großmutter fiel mir ein, als ich am am 22. März auf der Internetseite des Deutschlandfunks den Artikel „Osterwitz und Osterlachen
wiederentdeckt – Gegen die Schwere des Todes“ von Christian Röther fand. Zu Beginn seines Artikels stellt Röther die Frage: „Darf man in der Kirche lachen?“ Er beantwortet sie selbst: „Soll man sogar, und zwar an Ostern, dem höchsten christlichen Fest. Zumindest dann, wenn der Pfarrer einen Osterwitz erzählt, um ein Osterlachen hervorzu-rufen. Ein Brauch, der lange fast vergessen war, jetzt aber wiederentdeckt wird.“ Als seinen „Zeugen“ benennt er den bekannten bayerischen Theologen Rainer Maria Schießler, Pfarrer der katholi-schen Gemeinde St. Maximilian im Glockenbachviertel in München. Der praktiziert das Osterlachen mit Leidenschaft. Rainer Maria Schießler ist einer der bekanntesten Pfarrer Bayerns. Er schreibt Bücher, tritt in Radio und Fernsehen auf, ist um einen Witz selten verlegen – auch nicht an Ostern. Denn in der Ausbildung habe sein Pfarrer ihm beigebracht:
„Musst dir merken für dein Leben: Ein Osterwitz ist oft schwieriger, aber wichtiger als eine Osterpredigt. Weil wenn du einen Witz erzählst und die Leute lachen nicht, dann geht der Schuss nach hinten los. Aber wenn sie lachen, dann hast du eine Kirche voller Menschen, die lachend in diesen Tag hinausgehen.“
Rainer Maria Schießler ist Pfarrer der katholischen Gemeinde St. Maximilian im Glockenbachviertel in München. Er ist auch in München aufgewachsen, und Süddeutschland ist die Region, in der das Osterlachen am weitesten verbreitet war und wieder ist. Aber es war eine Zeitlang ziemlich in Vergessenheit geraten. Auch Schießler hat von dem Brauch erst als Erwachsener erfahren.
„Ich glaube, ich bin in einem sehr biederen Viertel großgeworden. Ich selber kenne es aus meiner Kindheit auch nicht. Da ist Ostern wohl ziemlich konventionell abgelaufen. Sondern ich habe es wirklich erst an meiner ersten Seelsorgestelle kennengelernt. Ich war bei einem urbayerischen Pfarrer auf dem Land draußen, und der hat gesagt: Wenn das schon so drinsteht – ja, auf Bayerisch – dann müssen wir was draus machen. Dann müssen wir die Leute zum Lachen bringen.“
– Wenn was wo „so drinsteht“?
Vom Osterlachen steht nichts in der Bibel. Laut den Evangelien hat an Ostern niemand gelacht, schon gar nicht Jesus selbst. Die Auferstehung war eine freudige, aber ernste Angelegenheit. Aber: „Also die biblische Wurzel“, sagte der alte Pfarrer, „die liegt mit Sicherheit beim Apostel Paulus. Seine Worte werden ja an Ostern immer gerne vorgetragen. Wo er schon fast spöttisch hinausruft:
dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? Also, er lacht den Tod aus.
“Humor ist wenn man trotzdem lacht! – Humor gegen die schwere des Todes! – auch in unserer, momentan tief getrübten Zeit. Wann genau das Osterlachen aufkam, ist unklar. Wohl im späten Mittelalter, im 14. oder 15. Jahrhundert. Unter dem lateinischen Begriff „risus paschalis“ fand der Brauch Einzug in die Osterliturgie. Mit der Reformation geriet das Osterlachen in der evangelische Kirche in Misskredit und spätestens seit der Aufklärung ging dieser heitere Brauch auch in der katholischen Kirche verloren. Auch heutzutage beobachten wir noch, dass viele Religionsvertreter zum Lachen in den Keller zu gehen scheinen – oder sie nehmen sich und ihre Religion so ernst, dass sie das Lachen verbieten.
Jedoch das Lachen ist vielen Menschen so wichtig wie ihr Glaube.
Der oben zitierte Münchner Pfarrer Schießler beobachtet, dass der Osterwitz und das Osterlachen immer beliebter werden: „Ich bemerke also in den letzten 20, 25 Jahren, dass selbst der Begriff ‚risus paschalis‘ ein gängiger Begriff unter Liturgen geworden ist.“ Und zwar nicht nur in der katholischen Kirche: „Die evangelische Kirche tut sich da sogar noch leichter, weil sie ja nicht diese strenge Agenda haben wie wir in unserer Liturgie.“
Bei meinen weiteren Recherchen zu diesen Ostergedanken stieß ich auf einen verläßlichen Zeugen, wenn nicht gar „Kron-Anwalt“ für den Brauch des Osterlachens:
Vor über 300 Jahren lebte in Bayern ein Pfarrer namens Andreas Strobl, der über ein Dutzend Erbauungsbücher und Predigtsammlungen zu Sonn- und Feiertagen veröffent-lichte. Strobls umfangreiche Predigtzyklen dienten als Hilfsbücher für andere Kanzelredner sowie als Erbauungs- und Unterhaltungslektüre für den privaten Gebrauch. Sein Erfolg als Prediger und Schriftsteller beruhte auf der gelungenen Verknüpfung von sittlich-religiöser Unterweisung und unterhaltsamer Erzählkunst.
Er gilt als geschichtenreicher „Erzähler auf der Kanzel“ (Elfriede Moser-Rath) im Barock. So nutzen auch die Brüder Grimm seine Geschichten für ihre „Kinder- und Hausmärchen“. Er selbst charakterisierte sich als ‚eine schwarze Bauren-Ambsel‘(vgl. Manfred Knedlik: Strobl, Andreas)
Strobl war besonders bekannt für seine humorvollen Osterpredigten. In seinem Buch „Noch ein Körbel voll Oster-Ayr“von 1698 gab er seinen Mitbrüdern den Rat, sie sollten an Ostern die Zuhörer „mit zu vielen Lehren und Ermahnungen nicht überladen, so wie man den Magen mit vielfältigen Speisen nicht überschütten und beschweren muss.“ Viele seiner Kollegen hielten sich daran, die Gläubigen hatten ihre Freude an den lustigen Einfällen ihrer Prediger, das „Ostergelächter“ wurde ein fester Bestandteil des Gottesdienstes: Zwischen dem „Amen“ der Predigt und dem Glaubensbekenntnis durfte die Gemeinde laut und herzlich lachen.
Leider trieben es manche Pfarrer mit der Zeit zu bunt: Sie imitierten auf der Kanzel Tierschreie und erzählten Witze, die – so schrieb ein Historiker – „zu erzählen ein anständiger Mensch nicht einmal am Biertisch wagen würde.“ Auch das mag ein Grund gewesen sein, das das Osterlachen aus der Kirche verschwand. Dabei hat das Osterlachen meiner Meinung nach in seiner ursprünglichen Form einen tieferen Sinn: „Wenn wir die Frohe Botschaft des Osterfestes wirklich ernst nehmen, dann haben wir allen Grund zum Lachen. Wenn wir daran glauben, dass am Ende das Leben steht, dass Leid und Tod immer das Vorletzte bleiben, dann kann die Grundhaltung der Christen eigentlich nur der Humor sein.“ (Wolfgang Raible)
Dann kann auch der Spruch meiner Oma: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ als unser österliches Lachen verstanden werden. Nur wer an die Treue
und Liebe Gottes glaubt, kann trotz der eigenen Unzulänglichkeiten noch lachen, trotz der schlimmen Not, die es um uns herum gibt, trotz der abscheulichen Ereignisse, die uns zur Zeit bewegen. Man bekommt eine innere Distanz zu allen vorläufigen und letzten Dingen, weil man im Letzten in Gott seinen Stand, seinen Halt hat. Das heißt nicht, dass wir nicht mit aller Kraft gegen das Leid, gegen die Ungerechtigkeit, die wir verhin-dern können, angehen müssen – es bedeutet aber, dass wir im Leid, das wir nicht ändern können, nicht verzweifeln müssen. Es scheint, dass mit dem Osterlachen auch der Humor aus der Kirche verschwunden ist.
Benny Grey Schuster, ein evangelischer Theologe der für die dänische Volkskirche arbeitet hat die Notwendigkeit des Lachens in der Kirche erkannt und ein dickes Buch geschrieben über das Osterlachen. Es sei überraschend, dass dieser Brauch überhaupt entstanden ist, sagt Schuster. Denn früher habe es in der Kirche geheißen: Das Lachen kommt vom Teufel. „In Dänemark – und vermutlich auch in Deutschland – würden christliche Gemeinden würde heute immer häufiger mal lachten“, mutmaßt Benny Grey Schuster. Und es sollte mehr werden. Selbst der emeritierte Papst trauert deshalb dem alten Brauch nach: „Zur barocken Liturgie“ – schreibt er – „gehörte einst der ‚risus paschalis‘, das österliche Lachen … Das mag eine etwas oberflächliche und vordergründige Form christlicher Freude sein. Aber ist es nicht eigentlich doch etwas sehr Schönes und Angemessenes, das Lachen zum liturgischen Symbol geworden war?“ (J.Ratzinger, 1984).
Vielleicht sollten wir doch wieder bei Rainer Maria Schießler oder den Barock-predigern mit ihren pfiffigen Ideen in die Schule gehen. Einer von ihnen hat in der Osternacht einmal folgende Geschichte erzählt:
Ein reicher Geizhals überlegte sich Tag und Nacht, wo er wohl seinen Schatz am besten verstecken könnte, denn er traute seinen Dienern und Verwandten nicht über den Weg. Da er in seinem Haus eine kleine Kapelle mit Hausaltärchen hatte, kam er auf die Idee, ein Modell des Grabes Christi aufzustellen und seinen Schatz dort drinnen zu verstecken. Damit es niemand wagte, hineinzuschauen, schrieb er groß auf den Grabaltar: „Hier liegt Christus begraben!“ Einer von den Dienern merkte bald, dass sein Herr viel ‚frömmer‘ wurde und lange Zeit vor dem Altar zubrachte. Als der Geizhals einmal auf Geschäftsreisen ging, durchsuchte der Diener den Grabaltar und fand den Schatz. Er nahm ihn heraus, löschte die alte Inschrift aus und schrieb groß darauf: „Christus ist nicht hier, er ist auferstanden!“ (nach Wolfgang Raible
Sich selbst nicht ernst zu nehmen, über die kleinen und großen Widersprüche des Lebens lachen können – das ist das Kennzeichen des christlichen Humors, der österlichen Freude.
„Eine Frage: Sind wir für die anderen Ostermenschen? Tragen wir ein Lächeln der Auferstehung im Gesicht?“ Wenn wir diese Frage eines zeitgenössischen
Theologen mit „Ja“ beantworten können, haben wir Ostern richtig gefeiert – und eine humorvolle Osterpredigt wäre da eine gute Hilfe …
In diesem Sinne ein frohes und gesegnetes Osterfest wünscht Ihnen
Ihr
Joachim Gresch, kath. Delegierter bei der ACK Witten
P.S.: Feiern wir nicht jeden Sonntag Ostern?!